Das Ende des Ramadan haben wir in Kairo mit unserem Freund Dave gefeiert – voller Erleichterung und in der Gewissheit, dass die Bier-Orga (die uns nebenbei gesagt, wenn auch auf vielerlei Umwegen bislang immer geglückt ist) von nun an einfacher sein würde. Weit gefehlt! Mehr als zwei Stunden spüren wir durch die Hauptstadt, bis wir im Diplomatenviertel Maadi unter Hilfe diverser freundlicher Taxifahrer endlich fündig werden. Aber die Suche war es wert, wir haben schließlich über tausend Kilometer Wüste vor uns und da reicht ein voller Wasser- und zwei volle Dieseltanks aus unserer Sicht einfach nicht aus.
Die Route durch die libyschen (westlichen) Oasen Ägyptens ist märchenhaft schön. Die Wüste verzaubert uns wieder vom ersten Augenblick an. Wir lieben diese Weite und Klarheit, man kann die Form des Bodens ganz deutlich erkennen, alles wirkt ganz pur und rein. Die Landschaft verändert sich fortwährend, mit jeder Kurve und mit jedem Licht. Aus Stein- wird Sandwüste, aus grau gelb, ockerbraun, rostrot oder schwarz. Dazu drehen wir die Musik laut auf, holen eine kalte Cola aus unserem bordeigenen Kühlschrank und könnten stundenlang so weiterfahren. Tun wir auch. Tagelang.
Seltsam kommen uns die vielen Reifenspuren vor, die direkt in die Wüste führen. Wer mag hier warum wohin gefahren sein? Dann entdecken wir die Spuren der Baufahrzeuge, die diese Straße gebaut haben. Vor mehr als dreissig Jahren! Anders als wir dachten, halten sich Reifenspuren in der Wüste viele Jahre, oft jahrzehntelang. Ladislaus Almasy (gewissermaßen der ‚echte‘ englische Patient) hat diesen Teil der Sahara in den dreißger Jahren erforscht und ausführlich darüber geschrieben (danke Cornelia für den Buchtipp – grandios!). 1929 hat er auf der Suche des legendären Darb al Arbe’in, der ‚Straße der vierzig Tage‘, der alten Karawanenstraße, auf der nubischen Sklaven einst nach Ägypten gebracht wurden, diesen Teil der Wüste von Wadi Halfa bis nach Asiut mit dem Auto durchquert. 1929! Wir finden das um ein vielfaches abenteuerlicher, als das was wir hier tun. Aber auch er fand sein Vorhaben wenig abenteuerlich im Vergleich zu seinem Vorgänger Rohlfs, des dasselbe fünfzig Jahre früher mit einer Kamelkarawane und den Navigationsinstrumenten seiner Zeit geschafft hat. Wie ist doch alles immer relativ… Mit den alten Reifenspuren, die sich wie Wunden durch sie ziehen, erscheint uns die Wüste verletzlich, aber an anderer Stelle zeigt sie uns ihre Macht und Unbezwingbarkeit. Wenn die Natur findet, dass an eine bestimmte Stelle eine Düne hingehört, dann ist dort eine Düne. Egal, ob da Menschen irgendwann mal ein Straße hingebaut haben… Dann ist da noch der Sternenhimmel. Er ist ein bißchen wie in den Bergen oder auf See. Sehr weit und unendlich tief, irgendwann glaubt man, an jedem Punkt einen Stern zu sehen. Wir suchen für unser Nachtlager einen Platz in der White Desert – und stehen auf einmal wie in Gletschereis. Schneeweiße glatte Kalk- oder Kreidefelsen soweit das Auge reicht, dazwischen bizarre Steingebilde an denen man sich kaum sattfotografieren kann. Wir kommen uns vor wie im Disneyland, aber es ist mal wieder die Natur. Und wir sind völlig allein bis auf eine Kamelkarawane, die abends vorbeizieht, und eine kleine Wüstenspringmaus, die uns am späten Abend noch besucht. Sonst nur wir, die Wüste und der Sternenhimmel.