Wir hauen uns wieder auf die Ruta 40 und donnern weiter nach Norden.
Die Ruta 40 ist die berühmte Sehnsuchts- und Abenteurerstraße Argentiniens, die mehr als 5.000 km längs durch das gesamte Land führt. Und zum donnern eignet sie sich wirklich hervorragend. Fast schnurgerade führt sie durch das große weite Nichts, durch die endlose argentinische Steppe und Pampa. Und sie ist – im Gegensatz zur Carretera Austral auf der chilenischen Seite – fast durchgehend asphaltiert. Jetzt zumindest. Als Che Guevara in den 50er Jahren mit seinem Motorrad auf dieser Straße durch Patagonien gereist ist, war sie das noch nicht. Und auch nicht, als Bruce Chatwin in den 70er Jahren dasselbe getan und – wie Che auch – später ein Buch über diese Reise geschrieben hat, das zum Klassiker geworden ist.
Noch immer ist diese Straße die Domäne der Motorradfahrer. Viele sind alleine unterwegs, viele aber auch in Gruppen. Und alle kämpfen mit dem Wind, der immer von Westen, also immer seitlich, über die Steppe fegt. Kein Wunder, dass die Fahrradfahrer die Carretera Austral bevorzugen. Die wenigen, die wir sehen, schieben.
Auch die Infrastruktur ist noch recht dünn. Dass es Sprit und (bescheidene) Einkaufsmöglichkeiten nur so alle 500 km gibt, ist völlig normal. Der Strom für die wenigen kleinen Orte kommt vom Windrad oder vom Generator, Trinkwasser aus Kanistern. Wenn es irgendwo Telefonnetz gibt, informiert ein Verkehrsschild darüber. Irgendwann kommen wir an der ‘Cueva de las Manas’ vorbei, an der Höhle der Hände, jahrtausendealt und Unesco-geschützt. Klar gucken wir uns das an, aber ganz ehrlich: packen tut es uns nicht. Irgendwie wirkt es auf uns eher wie ein Spaß von ein paar Jugendlichen.
Wir donnern weiter auf der Ruta 40. Von den Gebäuden am Rande der Straße sind drei Viertel verlassen. Verlassene Wohnhäuser, verlassene Estancias, verlassene Tankstellen. Tierkadaver aller Art und aller Stadien auf der Straße, und auf den allgegenwärtigen Weidezäunen immer wieder verendete Guanakos, die am Sprung über den Zaun gescheitert sind. Was muss das für ein qualvoller Tod sein. Die Überbleibsel der offensichtlich zahlreichen Autounfälle lässt man hier ebenfalls liegen. Alle paar Kilometer liegen Autowracks jeden Alters am Straßenrand, total verrostet, und häufig noch auf dem Dach. Niemand holt das hier weg, warum auch.
Jeder ist hier sein eigener Herr, jeder ist auf sich gestellt. Jeder umzäunt sein dürftiges Land, schlachtet sein Vieh, sitzt auf seinem Pferd und macht was er will. Regeln sind für Leute im Norden, die wenigen Verkehrsschilder, die es gibt, sind von Kugeln durchlöchert. Dies ist die Gegend, in der Butch Cassidy und Sundance Kid mit dessen Freundin Anfang des 20. Jahrhunderts einige Jahre gelebt und tatsächlich versucht haben, ein ‘rechtschaffenes’ Leben als Farmer zu führen. Kein Wunder, dass das nicht lange gutgegangen ist.
Als wir das Ende Patagoniens fast erreicht haben, verlassen wir die Ruta 40 und machen uns auf den Weg nach Osten. Entlang des Rio Chubut erstreckt sich ein wunderschöner Canyon. Wir stoßen unverhofft auf ein populäres Kletterparadies, in dem wir ein wenig wandern gehen.
Unterwegs begegnen wir einem seltsamen Tier: eigentlich sieht es aus, wie ein Kaninchen mit sehr kurzen Ohren.
Dann zeigt es uns einen schönen buschigen Schwanz, wie von einem Fuchs, und es hüpft von Fels zu Fels wie ein Känguruh. Später erfahren wir, dass es irgendwas endemisches ist, etwas also, das nur hier vorkommt.
Und weiter gehts nach Osten durch den spektakulären Canyon des Rio Chubut. Die Tiere, die uns begegnen, werden immer merkwürdiger
Schließlich erreichen wir die Atlantikküste und den Grund unserer Kontinentaldurchquerung: die Halbinsel Valdès, eines der großen Tierparadiese der Welt. Die Glattwale, die hier sechs Monate im Jahr ihre Jungen großziehen, haben gerade keine Saison, aber von Februar bis April soll hier mit etwas Glück ein anderes Schauspiel zu sehen sein. Wer jemals im Fernsehen Orcas gesehen hat, die sich auf den Strand schmeißen, um kleine Seelöwenbabys zu jagen – das ist hier. Dies ist der Strand. Er sieht genau so aus wie im Fernsehen. Alles ist da. Kleine süße Seelöwenbabys, ein paar Naturfilmer und Wissenschaftler, nur keine Orcas.
Klar, die kommen nicht auf Bestellung. Wir warten auch geduldig zwei Stunden, die gesamte Flut, aber nichts geschieht. Wir sehen uns ein wenig um, und finden im Gebäude des Parkrangers eine Tafel, auf der die letzte Orca-Sichtung vermerkt ist: die ist vier Wochen her. Okay, sie scheinen doch recht selten vorbeizukommen, die Orcas. Diese Seelöwenbabys scheinen in Frieden großwerden zu dürfen, und wir wenden uns den anderen Tieren des Parks zu.
Und den seltsamen Küstenlandschaften.
Wir verbringen noch ein paar Tage auf der Halbinsel. An einem sonnigen Kliff können wir uns kaum von den Seelöwenbabys losreißen, die übermütig in einer Art Pool umhertollen.
Beim Verlassen des Parks passieren wir eine hübsche kleine, seltsam geformte Insel. Sie mag das Vorbild für Antoine de Saint-Exupérys Elefanteninsel aus dem kleinen Prinzen sein, oder auch nicht, sie könnte es sein.
Er hat jedenfalls um 1929/30 hier gelebt, Flugpost- und Luftfrachtlinien eingerichtet und einige Runden über Patagonien gedreht, viele Jahre bevor er ‘Der kleine Prinz’ geschrieben und illustriert hat.
Noch so eine Figur, die einfach nach Patagonien passt. Es ist eine Gegend von Abenteurern und Gesetzlosen, von Freigeistern und Forschern, von Viehdieben und Gauchos. Bestimmt hat sie im Laufe der Jahre einiges von ihrer Atmosphäre verloren, ihrer Wildheit, Freiheit und Einsamkeit, aber noch lange nicht alles. Wir lassen leicht wehmütig Patagonien hinter uns und wenden uns dem zivilisierten Norden zu.
dankeschoen ihr beiden fuer die wieder schoenen bilder. macht weiter so. es ist immer schoen, euch auf eurer tollen reise zu begleiten. wie heisst denn nun der hase mit den kurzen ohren? ist er lieb, scheu, laesst er sich streicheln, fluechtet er vor menschen? vielleicht ist es sogar der so beruehmt-beruechtigte osterhase…..
alles liebe marina
Liebe Grüße aus Aschaffenburg, ich schätze mal ,das ist der Bruder vom Osternhase, der „Westernhase“ ✌️
Emu