Uns war klar, dass Kenia teurer als Äthiopien sein würde, aber 15 USD pro Person für einen Campingplatz ohne jede facilities finden wir doch ein wenig übertrieben. Wir wenden uns hilfesuchend an die örtliche Polizeistation, und siehe da, die lassen uns in ihrem Hinterhof übernachten, völlig umsonst, gemütlich unter einem großen Baum und mit Blick auf die Grenzstadt Moyale. Vor uns liegt die berüchtigte Moyale-Marsabit-Strecke. Es ist das einzige Stück Straße in Ostafrika, wo man nicht auf Asphalt ausweichen kann, 500 km schlechte Piste durch die nordkenianische Wüste, mit nur einer Übernachtungsmöglichkeit auf halber Strecke. Buschcampen ist hier zu unsicher, bis vor kurzem durfte man nur im Konvoi durchfahren, und wir fühlen uns zu fünft in zwei Autos alle besser als ganz allein. Die Straßenverhältnisse sind wirklich heftig. Riesige scharfkantige Lavabrocken, Löcher in denen ganze Autos verschwinden könnten, Schotterpiste wechselt mit Wellblech, es holpert und rattert, die Federn ächzen, uns schlägt das Hirn gegen die Schädeldecke, eine Tortur für Mensch und Maschine. Fahren ist anstrengend, weil man voller Konzentration ständig die am besten zu befahrende Seite sucht, und gleichzeitig probiert, bei maximal fahrbarer Geschwindigkeit den schlimmsten Löchern und Steinen rechtzeitig auszuweichen. Es gibt Stellen, da haben wir bei 12 km/h noch das Gefühl, dass das Armaturenbrett gleich durch die Windschutzscheibe donnert. Mehr als 25 km/h im Schnitt schaffen wir einfach nicht, die 250 km bis Marsabit kosten uns mehr als zehn zermürbende Stunden. Dort werden wir zum Glück mit Essen, Bier und Lagerfeuer prima versorgt, und am nächsten Morgen geht es weiter. Wir sehen Strauße, Affen und Dik-Diks, und als Jane und ich mit unseren Fahrschichten dran sind, finden wir wunderbare kleine Offroad-Umgehungsstrecken, wo wir voller Begeisterung wild im Sand herumkurven – ooh nein, die Jungs waren überhaupt nicht neidisch.. 😉 Wir filmen uns gegenseitig, reparieren am irischen Auto herum und versuchen zu verdrängen, dass wir noch langsamer vorwärts kommen, als am Vortag. Doch dann, plötzlich, nachmittags nach weiteren sechs Stunden Gerumpel, eine Baustelle, eine kleine Detour, und dann: Asphalt! Überglücklich und erleichtert schweben wir auf Black Ice dem kleinen Ort Archers Post entgegen, wo es ein Camp gibt, das von Samburu-Frauen betrieben wird, die ihre Familien verlassen haben. Eine Art Frauenhaus! Die Samburu sehen wunderschön aus, mit bunten Kleidern und Umhängen, großen bunten Perlenplatten um den Hals, und einem aufwendigen paillettenbesetzten Kopfschmuck. Diese Kluft tragen die Hirten am Straßenrand genauso wie die Leute im Dorf und nirgends muss man sich anmelden oder jemanden bezahlen um sie zu fotografieren. Auch die Behausungen haben sich wieder verändert. Die Samburu flechten eine Art großen runden Korb und legen Tierhäute aufs Dach, was sehr malerisch aussieht. Das Womens Camp liegt nicht weniger malerisch an einem Fluss, in dem es Krokodile gibt, wir haben zwar mal wieder weder Strom noch Wasser, aber der Blick auf den Krokodilfluss und die Savanne dahinter ist unglaublich. Wir bleiben einen Tag, ruhen uns aus und pflegen unsere Autos. Die Jungs gehen Krokodile suchen und wir freunden uns mit meiner Fast-Namensvetterin Dola aus Nairobi an, die hier mit ihren Freundinnen das Wochenende verbringt. Sie ist ein richtig guter Typ und singt und spielt uns auf ihrer alten Schrabbelgitarre so schön vor, dass John spontan beschließt, ihr seine eigene Gitarre zu schenken. Das war vielleicht eine glückliche Dola, sie hat sich vor Begeisterung in den Staub geschmissen, gejuchzt und gezappelt vor Glück, ein rührender Moment, den wir alle – nicht nur Dola – sicherlich nicht vergessen werden.
Weiter Richtung Süden passieren wir Mount Kenya (in Wolken) und den Äquator (im Regen). Als wir in Nairobi ankommen (das so gefährlich sein soll, dass es auch Nairobbery genannt wird), ist es mal wieder fast dunkel, der Verkehr ist absolut unglaublich, die kennen hier echt keine Angst, und wir steuern ein weiteres berühmtes Traveller-Camp an: Jungle Junction. Welch ein Paradies! Hier gibt es alles: Garten, Gemeinschaftsküche und Aufenthaltsraum mit Sofas, Fernseher und Kamin, die wunderbarsten pieksauberen Toiletten und Duschen (mit Spiegel, Seife und Handtüchern!), Waschmaschine, Supermarkt und Geldautomat um die Ecke, und endlich auch das ersehnte Internet, zumindest wenn der Strom nicht gerade ausgefallen ist. Und natürlich jede Menge Traveller mit jeder Menge Tipps und Infos. Wir hören, dass Teile der großen Gnuherden noch immer im Masai Mara-Nationalpark sind. Um diese Zeit ziehen die Tiere wieder in die Serengeti zurück und wir hatten kaum zu hoffen gewagt, sie noch anzutreffen, wir wollen es auf jeden Fall versuchen und brechen auf.
Der Masai Mara empfängt uns gleich mal mit sechs – wenn auch schläfrigen – Löwen. Es hat etwas paradiesisches, wie hier die schönsten Tiere zusammenleben, als hätte man sie hingesetzt. Im Fluss planschen Krokodile und Hippos, im Baum sitzen Affen und Geier, darunter stehen Elefanten und Giraffen, dazwischen tummeln sich Warzenschweine. Schließlich finden wir eine Gnuherde, die sich anstellt, einen Fluss zu überqueren – das berühmte crossing, das alle sehen wollen. Wir haben einen Superplatz und warten auf das Spektakel, aber irgend etwas hindert sie, immer wieder schrecken sie zurück, und wir fürchten schon, dass wir es sind, die ihnen Angst machen, weil wir zu nah dran sind. Als sie aber ganz abgezogen sind und auch wir weiterfahren, sehen wir den wahren Grund: zwei Hyänen am Flussufer, die ebenso enttäuscht abziehen wie wir. Aber ein paar hundert Meter weiter trauen sich die Gnus dann doch. Es ist zwar keiner der berühmten großen Flüsse, sondern nur ein kleiner, aber crossing ist crossing und wir haben dieses ganz für uns allein. Wir sind fasziniert von der Organisation der Herde von mehreren tausend Tieren und fühlen uns an Tuesday Night Skating in Frankfurt erinnert. Als Ordner fungieren hier Zebras, die viel besser sehen können, als Gnus, und – vielleicht auch deshalb – viel ängstlicher sind. Sie bilden die Vorhut, wittern, spähen und sichern nach allen Seiten, scheuchen die Gnus vorwärts, lenken sie um oder stoppen sie, wenn Gefahr droht, und am Ende halten sie das Feld zusammen. Wir genießen das Schauspiel, das für alle Gnus gut ausgeht. Danach finden wir noch ganz alleine einen Geparden, der selbstbewußt durch die Steppe wandert, abends gucken wir neben grasenden Giraffen in die Sterne und haben ein richtiges Afrika-Safari-Feeling.
Auf dem Rückweg nach Nairobi – wo uns die Iren zur Halloween-Party erwarten – machen wir noch einen kurzen Abstecher zum Lake Naivasha – denken wir. Aber in Afrika kommt immer alles ein bißchen anders als man denkt, und dieser kleine Shortcut von 50km über die Berge wird zur härtesten Strecke bisher, und kostet uns alleine schon vier Stunden. Hier ist die Straße (oder was die hier so Straße nennen) nicht nur voller Löcher, Steine und Schlamm, sondern auch noch schmal und steil. Ein Rad in der Luft haben wir hier öfter mal, aber einmal habe ich das Gefühl, das Auto kippt wirklich auf die Seite, Riesenschreck für Dela, alles geht gut, aber viel hat da nicht gefehlt – finde ich zumindest, Marc ist natürlich viel cooler 😉
Zurück in Nairobi stellen wir uns einer neuen Herausforderung: angesichts der Tatsache, dass wir alle lange nur sehr wenig leckeres Fleisch bekommen haben, und hier ein Kilo bestes Filetsteak gerade mal sechs Euro kostet, haben die Iren und Michael die One-Kilo-Challenge ins Leben gerufen. Marc und ich entpuppen uns als Weicheier, die kaum über ein halbes Kilo hinauskommen, aber immer mehr Jungle-Junction-Bewohner finden die Idee klasse, und es wird eine Riesenfresserei, zu elft verdrücken wir immerhin acht Kilo, und machen am nächsten Tag gleich weiter, der Metzger wird unser Freund.
Während die Iren hier auf die Ankunft von Podges Eltern und Michael auf die seiner Freundin wartet, die für einige Wochen zu Besuch kommen, beschäftigen wir uns mit unserem Auto, an dem jetzt doch der Auspuff durchgerissen ist. Die Reparatur gestaltet sich nicht so einfach, wie gedacht, Marc bekommt Ruß ins Auge, dazu schüttet es immer wieder, und der Strom fällt dauernd stundenlang aus, was nicht nur heißt, dass wir dann nicht mailen können, sondern auch dass die Autowerkstatt schließt. Welcome to Africa.
Schließlich sind alle da, Marc kann wieder gucken, wir können kein Steak mehr sehen, die Iren machen sich (jetzt zu fünft in einem Auto) auf den Weg in die Masai Mara, Michael und Claudia wollen nach Uganda, und wir haben Sehnsucht nach ein paar Strandtagen und machen uns mit endlich montiertem Auspuff auf den Weg nach Mombasa und dann zur Küste.
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