Wir überqueren abermals den Äquator, befinden uns nun also wieder auf der Nordhalbkugel und haben langsam das Gefühl, heimzukommen. In Äquatornähe verwandelt sich der Atlantik seltsamerweise in eine spiegelglatte Scheibe. Diese Windstille ist wohl typisch und bei Seglern berüchtigt. Für uns sind das jedoch perfekte Bedingungen. Die Luft ist sehr warm, Moskitos oder sonstiges Ungeziefer gibt es nicht, und wir sitzen abends lange draußen an Deck und genießen die magische Stille mitten auf dem Ozean. Man sieht kaum mal ein Schiff oder einen Vogel. In einer sternenklaren Nacht sehen wir dafür vier markante Sternbilder gleichzeitig: den großen Wagen, das Kreuz des Südens, Skorpion und Orion.
Die Deckmannschaft nutzt die ruhige See, um die Stahleile in den bordeigenen Kränen zu fetten. Eine wacklige, schmutzige Arbeit in schwindelnder Höhe. Wir freunden uns mit Manfred an, dem mutigen Ingenieur vom Barbecue, und tauschen bei ein paar Bierchen in lauen Sommernächten an Deck Fotos und Geschichten aus.
Auf der Brücke fragen wir Mariusz Löcher in den Bauch. Er erklärt uns Sternbilder, zeigt uns, wie man damit navigiert und Auf- und Untergangszeiten von Mond und Sonne berechnet. Die Jungs haben es manchmal ein bißchen langweilig hier oben und freuen sich oft über ein wenig Abwechslung. Und für uns gibt es hier tausend spannende Dinge zu tun, zu gucken und zu fragen. Es macht uns Spaß, die Seekarten zu studieren, die Wettervorhersagen zu lesen und den Radar zu beobachten. Als die erste Kursänderung seit knapp einer Woche (!) ansteht, darf Marc sie vornehmen.
Mit dem zweiten Offizier Pjotr studieren wir während seiner Schicht auf der Brücke Seekarten und Handbücher. Auch hierin steckt eine Menge Arbeit. Jede Woche bekommen die Jungs bergeweise Korrekturen, die sie in die Karten übertragen müssen. Mit Hilfe der Profitechnik auf der Brücke zeichnen wir schließlich unsere Fahrtroute (fast) ganz genau in unserer eigenen Afrikakarte ein.
Langsam wird es wieder etwas kühler und der Chief Engineer findet es nun vertretbar, uns den Maschinenraum zu zeigen. Seit fast zwei Wochen schon läuft diese Maschine nonstop 24 Stunden auf voller Kraft. Sieben Leute sind im Schichtdienst pausenlos damit beschäftigt, sie zu warten und zu pflegen, alles während des Betriebs. Es ist unglaublich laut und heiß hier, und die Menschen krabbeln wie Ameisen auf diesem riesigen stampfenden, hämmernden, fauchenden, dröhnenden und Öl schwitzenden Ungeheuer herum. Die haben wirklich harte Jobs hier, mannomann.
Rechtzeitig bevor die See wieder zu unruhig wird, bekommen noch fast alle Mannschaftmitglieder vom Steward die Haare geschnitten. Die Chance lässt sich Marc selbstverständlich nicht entgehen. Meine sind schon kurz genug, seit eine Stellenboscher Friseuse voller Elan losgelegt hat. Naja, wächst ja wieder… 😉
Eines schönen Abends kommt langsam Land in Sicht. Und wie! Wir erreichen die Kanarischen Inseln und der fast viertausend Meter hohe Vulkan Teide auf der Insel Teneriffa türmt sich im Dunst vor unserer D-Deck-Terrasse auf. Davor driften Kreuzfahrtschiffe beleuchtet wie Weihnachtsbäume langsam in den Sonnenuntergang. Was für ein Schauspiel!
Als wir den Schutz der Inseln verlassen, wird die See langsam wieder richtig ungemütlich. Von schräg vorne rollen nun die Wogen und lassen uns auf der Purple Beach wie auf einem riesigen Bullen reiten. Außerdem ist es viel kühler geworden. Wir sind doch recht froh, langsam in die Nähe von Vigo zu kommen. Am Abend des 11.Mai laufen wir – wieder versehen mit einem Lotsen und zwei Schleppern – bei strahlendem Wetter in die malerische Lagune von Vigo ein. Europa hat uns wieder.