In der Mondlandschaft zwischen Swakopmund und Walvis Bay treffen wir Herwig aus Deutschland und Guylaine aus Frankreich, die drei Jahre als Lehrer in Alexandria gearbeitet haben und nun mit ihrem kleinen Sohn Samy auf dem Weg zurück nach Deutschland sind – für den sie sich mit ihrem Bremach-Truck mehrere Jahre Zeit nehmen. Wir erzählen ihnen von unseren Plänen, von Walvis Bay aus am Strand entlang nach Süden bis zum Sandwich Harbour zu fahren. Das ist ein bißchen tricky, weil man diesen schmalen Sandstreifen zwischen Dünen und Ozean nur bei Ebbe befahren kann. Wir freuen uns richtig, als die drei die Idee prima finden, und sich spontan mit uns zusammentun. Fahrten durch Flüsse, Schlamm und über steile Felsbrocken kennen wir nun schon – der weiche tiefe Sand ist noch ein bißchen neu für uns. Nicht so für unsere Freunde, die in ihrer Zeit in Ägypten schon viel in der Sahara unterwegs waren. So sind es denn auch wir, die sich immer wieder in den Dünen festfahren. Wir kommen zwar immer auch schnell wieder frei, brauchen aber insgesamt viel länger als gedacht, und unser Zeitfenster bis zum herannahenden Wasser beginnt sich zu schließen. Die Vorstellung, unsere Autos an den Atlantik zu verlieren, schreckt uns alle, aber ist ja kein Problem, wir haben schließlich Zeit und sind flexibel. Wir suchen uns einen schönen, hoch gelegenen Platz in den Dünen, machen ein Feuer und schlagen – umgeben vom Sandmeer – unser Nachtlager unter dem Sternenhimmel auf.
Am Nachmittag des nächsten Tages, als sich das Wasser wieder zurückzieht, starten wir einen neuen Versuch. Wir sind nur noch wenige Kilometer von unserem Ziel entfernt, als wir eine Kolonne von sechs entgegenkommenden Autos sehen. Super, denken wir, die legen eine gute Spur für uns und können uns sagen, wie die letzte Strecke so aussieht. Aber weit gefehlt. Wir sind auf eine Gruppe offizieller Nationalpark- und Ministeriumsleute getroffen, die sich nur für unsere Permit interessieren, die wir vorab in Swakopmund für umgerechnet 10 Euro pro Tag hatten kaufen müssen. Die war natürlich inzwischen abgelaufen. Was dann losgeht ist für uns immer noch etwas unwirklich. Natürlich bieten wir sofort an, die 10 Euro für diesen Tag nachzubezahlen. Aber „it’s not working like that“, bekommen wir zu hören. Dann werden sie lauter, „we gonna fine you“ , „give us your passports“, „we could lock you up for that“ und – zur Krönung – „shut up, whitie!“ Wie Schwerkriminelle werden wir behandelt. Schließlich einigt man sich darauf, uns zurück nach Walvis Bay zu eskortieren, und dort – es ist Sonntag nachmittag – der Polizei zu übergeben. Unsere Reisegefährten, deren Permit nicht beanstandet worden war, beschließen, ebenfalls auf Sandwich Harbour zu verzichten, und stattdessen umzudrehen und uns zu begleiten. Nach mehreren Stunden bei der Polizei angekommen, schildern die Typen ausführlich, was wir für Verbrecher sind. Als wir versuchen, auch etwas zu sagen, wird uns nur ein wutentbranntes „and now I’m gonna triple your fine“ entgegengeschleudert. Der Polizist, den ich frage, ob er das eigentlich in Ordnung findet, meint ungerührt, die würden nur ihre Pflicht tun, und schließlich enden wir mit zwei Strafbefehlen über zusammen fast 250 Euro, unter anderen wegen „refused to carry out an order“ – Befehlsverweigerung! Und bei einem Versuch, das Land zu verlassen, ohne bezahlt zu haben, würden wir im Gefängnis landen. Immerhin, auf unsere – inzwischen schon fast schüchterne – Nachfrage, ob Namibia auch so eine Art Rechtsstaat ist, wo man irgendwo Einspruch gegen sowas einlegen kann, heißt es kühl, damit könnten wir uns am nächsten Tag an das Magistration Office wenden.
Nach einer nicht besonders schönen Nacht begeben wir uns leicht beklommen dorthin, und werden zum Public Prosecuter geschickt. Dieser entpuppt sich als eine sympathische junge Frau, die sich in Ruhe unsere Geschichte anhört, die wir zum ersten Mal erzählen dürfen. Danach nimmt sie unsere Strafbefehle, streicht kurzerhand den einen total durch und wandelt den anderen in eine 10-Euro-Strafe um. Zack, Stempel drauf und fertig. Sie bedaure, dass man uns soviel Kummer gemacht habe, die Jungs würden, sobald sie Uniformen anhätten, gern mal ein wenig über die Stränge schlagen und meinten ihre Wichtigkeit demonstrieren zu müssen. Mit den 10 Euro sei alles für uns erledigt und eine schöne Reise noch. Puuuhhh… da sind Felsbrocken von unseren Herzen gepurzelt. Wir sind überglücklich, nicht nur wegen des Geldes, auch weil wir das Gefühl hatten, endlich gehört worden und auf einen normalen Menschen getroffen zu sein. Von dem gesparten Geld gehen wir erst mal feudal einkaufen. Mit Herwig, Guylaine und Samy, die die ganze Zeit treu und fest an unserer Seite gestanden haben, verbringen wir noch zwei richtig schöne Tage. Nach einem opulenten Abschiedsmahl mit Aperitif, zwei Hauptgängen und Dessert (Guylaines französischer Einfluss peppt unseren Speisezettel auf und in Swakopmund gibt’s halt alles) trennen sich unsere Wege wieder. Schon wieder so ein schwerer Abschied. Die drei sind uns richtig ans Herz gewachsen, sie sind mit uns durch dick und dünn gegangen, wir haben zusammen unser Auto ausgebuddelt, uns Mut zugesprochen und viele spannende Stunden voller Gespräche und Erzählungen am Lagerfeuer miteinander verbracht. Sie fehlen uns vom ersten Moment an. Aber wir wollen weiter in den Süden.