Schiff nach Europa 4 – Nordatlantik und Ankunft

Immer ungemütlicher wird das Wetter. So haben wir uns das nicht vorgestellt mit dem Sommer auf der Nordhalbkugel.

Es ist kalt und feucht, und der Wind bläst ununterbrochen. Dazu kommt, dass unsere philippinischen Freunde damit begonnen haben, mit irgendwelchen Höllenmaschinen großflächig Farbe und Rost vom Schiff abzuschleifen. Die Berge von Krümeln, die dabei entstehen, werden vom Wind sandsturmartig übers Deck gefegt – dort kann man sich kaum noch aufhalten. Tag um Tag geht das so, wir hängen in unseren Kabinen herum und werden langsam brummig. Zum Glück liegt das Schiff sehr stabil im Wasser, vom immer stärkeren Seegang merken wir fast nichts.

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Es gibt nochmal ein Barbecue, aber auch dieses wird wetterbedingt drinnen serviert, und Partystimmung will sich nicht richtig einstellen.

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Es ist schon seltsam, solch eine riesige Strecke mit so geringer Geschwindigkeit zurückzulegen. Wir fahren ziemlich konstant zwischen 12 und 15 Knoten, das sind rund 25 km/h. Aber das eben Tag und Nacht ununterbrochen. Pro Tag legen wir so rund 600km zurück. Wir sind jetzt seit zwanzig Tagen unterwegs, und bekommen wieder mal ein Gefühl für die Abmessungen dieser Erde, ihrer Kontinente und Ozeane.

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Vor den Kanarischen Inseln stoppen wir dann doch einige Stunden. Hier wird es für kurze Zeit Telefonnetz geben, und das soll nicht mitten in der Nacht sein. Für viele von den Jungs, die zuhause Frau und Kinder haben, ist das natürlich sehr wichtig. Aber auch wir freuen uns über einen kurzen Kontakt mit unseren Familien.

Gerade noch rechtzeitig vor der Einfahrt in die Biskaya machen wir unsere Notfallübung.

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In diesen Tagen beginnt die Fußball-WM, und abgeschnitten, wie wir sind, machen wir uns daran, die Offiziere zu bezirzen, dass sie wenigstens irgendwie Ergebnisse besorgen. Um Druck aufzubauen, hängen wir in unserem gemeinsamen Speiseraum einen Spielplan auf. Da Italien sich nicht für die WM qualifizieren konnte, sind die Jungs an den Spielergebnissen nur mäßig interessiert, aber sie lassen sich erweichen. Täglich trudeln nun auf der Brücke über Satellit oder von anderen Schiffen Fußballergebnisse ein. Obwohl wir nicht mehr als die nackten Ergebnisse erfahren, wird jedes einzelne doch ausführlich besprochen und eingeordnet. Mit besonderer Spannung erwarten wir natürlich die Auftaktspiele der Deutschen gegen Mexiko und der Schweizer, die gleich mal gegen Brasilien antreten.

Auch wenn wir schon in der Biskaya sind, und es ganz ordentlich schaukelt, bekommen die interessierten Passagiere nun eine Führung durch das Schiff. Captain und Chief Mate zeigen uns die Car Decks und die Arbeitsflächen mit riesigen Leinen und Ankerketten im Bug und im Heck des Schiffes und erzählen uns Schauergeschichten von gräßlichen Unfällen, Schiffbruch und blinden Passagieren.

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Am Nachmittag führt uns der Bordelektriker durch den Maschinenraum, wo ein dreistöckiges Ungetüm von einem Dieselmotor Tag und Nacht dröhnt und wummert. Nebendran donnern noch zwei riesige Generatoren in ähnlichen Tonlagen. Hier herrscht Höllenlärm und Hitze, und auch eine vollkommen andere Stimmung als bei den standesbewußten uniformierten Offizieren an Deck. Nicht nur sieht alles tipp topp gepflegt und in Ordnung aus, unter den philippinischen Mechanikern und Ingenieuren scheint auch ein gutgelauntes kameradschaftliches Einvernehmen zu herrschen.

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Abends werden wir langsam zappelig: die Deutschen spielen. Und wir kriegen nichts mit! Nach dem Essen halten Marc und ich es nicht mehr aus und stürmen auf die Brücke. Nein, die Jungs haben noch nichts gehört. Nein, es ist auch kein Schiff in der Nähe, das sie kennen. Aber wir sind im Ärmelkanal, überall um uns herum sind Schiffe. Hier zum Beispiel ein holländisches. Ok, es wird angerufen, und Marc bekommt den Hörer in die Hand. Leider ist am anderen Ende der Leitung kein Holländer, sondern ein Philippino, und er weiß von nichts. Hm. Wir starren in die abendliche See. Plötzlich werden wir angefunkt. Das holländische Schiff hat sich kundig gemacht und meldet auf Kanal 16 das Ergebnis. Alle Schiffe in der Umgebung erfahren so von der 0:1-Niederlage der Deutschen. Die Schweizer hören zwar erst am nächsten Morgen von ihrem 1:1 gegen Brasilien haben aber deutlich mehr Grund zur Freude.

Es ist jetzt schon mehr als eine Woche kalt, windig und unangenehm. Unser Koch macht uns auch nicht gerade glücklich. Nudeln kann er gut, aber Fleisch und Fisch machen wenig Freude, Gemüse und Salat gibt es kaum, und nachtischmäßig sind wir inzwischen bei Dosenobst angelangt. Nun ist auch das alle. Wir nehmen wieder Vitamintabletten. Jetzt wird es wirklich Zeit, dass wir heimkommen.

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Nach 22 Tagen nähern wir uns der Westerschelde. Es ist früh am Morgen, die Hafeneinfahrt von hier bis nach Antwerpen dauert geschlagene acht Stunden, und es sieht so aus, als ob wir sie komplett bei Tageslicht erleben. Der Lotse kommt an Bord und wir nehmen Fahrt auf – was freuen wir uns! Plötzlich jedoch stoppt das Schiff, und der Lotse geht wieder von Bord. War alles ein großes Missverständnis, in Antwerpen ist noch gar kein Platz für uns. Wir müssen umdrehen, und uns zu den vielleicht zwanzig anderen Schiffen gesellen, die hier in Warteposition vor Anker liegen. Mindestens acht Stunden.

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Zum Schluss werden es zehn Stunden, und es ist schon Abend, als wir endlich in die Westerschelde, die zu den Niederlanden gehört, einlaufen dürfen. Zum Glück ist es lange hell, beinahe der längste Tag des Jahres, und die langsam untergehende Sonne taucht den ganzen Abend in ein goldfarbenes Licht, das zu unserer Stimmung passt.

Wir freuen uns an der kurvigen Einfahrt mit vielen Sandbänken, Bojen und einer Menge Schiffsverkehr. Plötzlich tauchen zwei pechschwarze Schnellboote neben uns auf. Sie drehen bei, fahren dicht neben uns her, und auf der Brücke klingelt das Telefon: Es ist die belgische Marine, die freundlich fragt, ob sie uns als Übungsobjekt benutzen darf. Unser holländischer Lotse lacht sich scheckig, und gemeinsam verfolgen wir über die Reling hängend die Übungsmanöver. Klick HIER für ein kleines Video (0:50).

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In der Dunkelheit, die irgendwann doch hereinbricht, tauchen wir in ein unendlich großes, bunt und rhythmisch funkelndes Lichtermeer. Der Hafen von Antwerpen sieht aus wie eine Mischung zwischen Todesstern und Christkindlmarkt. Nach und nach gehen alle Passagiere schlafen, nur Marc harrt noch auf der Brücke aus, bis wir nachts um zwei die letzte Schleuse passieren, und irgendwann danach anlegen.

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Wir sind zurück, Europa hat uns wieder. Das Ausschiffen geht ruck zuck, wir fahren nach Antwerpen, wo wir auf einem idyllischen Altstadtplatz genüßlich einen großen, knackigen Salat vertilgen, danach nehmen wir Kurs auf Holland. Hier wollen wir einige Tage bei Marcs Familie bleiben, und dann noch ein paar letzte Sommertage mit unserem Auto auf Reisen verbringen, bevor wir Frankfurt ansteuern – Ihr merkt, wir sind noch voll im Schifffahrtsmodus – wo wir hoffen, viele von Euch am Samstag, 30.6. in der Alten Liebe zu sehen! Smile

Vielen lieben Dank allen, die unserer Reise gefolgt sind: Ihr alle – auch die vielen “stillen” Leser, von denen wir wissen – seid der Grund, dass wir uns die ganze Zeit über begleitet und getragen gefühlt, und mit großer Freude unsere Geschichten und Bilder mit Euch geteilt haben. All die lieben und enthusiastischen Kommentarschreiber aber haben uns stolz und glücklich, und das Schreiben und Bebildern zu einem echten Vergnügen gemacht! So sehr, dass bestimmt noch der eine oder andere Beitrag folgt.

Bis ganz bald, alles Liebe
Dela und Marc

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13 Antworten auf „Schiff nach Europa 4 – Nordatlantik und Ankunft“

  1. Eindelijk weer in Nederland!!! Wij zijn blij dat jullie er zijn. Nog een goede reis naar Duitsland en geniet van jullie thuiskomst in Frankfurt!! Veel liefs, xxx Laurien

  2. HERZLICH WILLKOMMEN!!!!
    Endlich haben wir Euch wieder… Ich umarme Euch.
    Ich freue mich sehr, wenn wir uns am Samstag sehen.
    Freu, freu, freu
    Eure Sandra

  3. Willkommen zurück in Europa!
    Wir sind ja leider nicht dabei am 30.6.
    Freuen uns aber eine Woche später euch zu sehen.
    Lieben Gruß aus Californien
    Petra und Klaus

  4. Schön, dass Ihr wieder heil gelandet seid!
    Es wurde aber auch höchste Zeit, schließlich ist der tegut-Supermarkt, den sie für Euch an der Ecke gebaut haben, schon seit Wochen fertig, 😉 ……und außerdem ist die WM in vollem Gange: Mit Euch macht Public Viewing einfach noch mehr Spaß! 🙂 Glg Mathias

    1. Welches Public Viewing denn jetzt noch???
      Aber ich freu mich auch schon sehr auf Samstag wenn wir euch wieder live und in Farbe erleben können

  5. Herzlich willkommen zurück!
    Freuen uns, euch bald wieder zu sehen. Eure Geschichten und Bilder werden uns fehlen.
    Aber wer weiß, es gibt noch einige Kontinente, über die zu berichten lohnen würde … 😉
    Liebe Grüße
    Karin & Sven

  6. Welcome back und herzlich Willkommen wieder daheim;) Ich freu mich riesig, euch wieder zu sehen!!!
    Wahnsinn, wie schnell das Jahr auch für uns „zurückgebliebene“ ( also „zurückgeblieben“ meine ich natürlich rein „räumlich“ gesehen!!!!!) vorbei gegangen ist….Schön, dass ihr gesund und “ am Stück“ wieder da seid ;)! Genau rechtzeitig, um weitere deutsche Fussball-Siege zu erleben!!!

  7. Unglaublich, Ihr seid wieder zu Hause! Ich gehör(t)e zu den stillen Mitlesern und bin auch ein wenig mitgereist. Schön, dass alles so gut geklappt hat und mindestens genauso schön, dass Ihr wieder da sein…. 🙂

  8. Hallo, ihr zwei
    ach, ich freue mich ja so, dass ihr gluecklich wieder in Europa gelandet seid. Ward ja wirklich sehr lange und sehr weit weg. Aber ihr habt uns ja mit euren tollen Berichten und Fotos so grossartig mitgenommen. Es hat ganz, ganz grossen Spass gemacht, mit euch auf diesen Trip zu gehen.
    Ich waere so gerne bei euch, wenn ihr in Frankfurt ankommt, weil ich mich derzeit gerade in Muenchen bei meiner Schwester aufhalte. Ich kann aber nicht kommen, trotz der laecherlichen 450 Kilometer, weil ich grauslig viele buerokratische Aufgaben zu erledigen habe und ausserdem ein mir gehoerendes Apartment verkaufen muss. Bin also absolut unabkoemmlich. Aber ich hoffe doch, dass sich bald mal wieder eine Gelegenheit ergibt, euch wieder zu sehen . Bis dahin alles, alles Liebe und viel Freude mit den „Zurueckgebliebenen“ bei der Willkommensfeier.
    Marina

  9. Das war´s also. So schnell geht ein Jahr rum. Ein Jahr lang durften wir Euch im Internet bei Eurer Reise begleiten, wodurch es uns gar nicht so aufgefallen ist, dass Ihr nicht mehr hier wart, und wir haben interessante Einblicke in ferne Länder bekommen, ohne selbst unsere „Komfortzone“ mit Couch und warmer Dusche verlassen haben zu müssen. Dafür vielen Dank! Irgendwie hatte ich mich ja schon daran gewöhnt, jeden Tag auf der Arbeit (wenn gerade mal nichts zu tun war) auf den Button „africacruiser“ meines Desktops zu klicken. Das wird mir nun fehlen. Aber dafür seid Ihr wieder da! 🙂

  10. Willkommen….
    Auch ich gehörte zu den stillen Lesern und bin fast traurig, dass es nun vorbei ist.
    Zur großen Freude : Ihr seid zurück.
    Freue mich auf ein baldiges Wiedersehen.

  11. Schade (Schön), dass Ihr wieder da seid 😉 Ihr habt so interessante Berichte geschrieben und habt uns an Eurer Reise teilhaben lassen. Auch meine Frau war immer wieder fasziniert davon!
    Ich freue mich immer wieder aufs Neue, wenn Reiselustige und Wissensdurstige sich ihre Träume verwirklichen.

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