Es ist eigentlich ein vollkommen typischer, klischeehafter Karibikstrand, an dem wir am Tayrona National Park landen. Sandstrand, Kokospalmen, bunte Vögel undsoweiter. Wenn da diese unglaublichen Wellen nicht wären. Mehr als drei Meter hoch donnert uns eine mächtige Brandung entgegen. Sowas kennen wir von der Karibik überhaupt nicht, normal ist das eine Badewanne. Baden ist hier zwar komplett verboten, aber die Surfer haben ihren Spaß, und denen zuzuschauen, gefällt uns auch. Wir verstauen unsere Sachen im Auto, räumen ein bißchen herum, und versuchen, uns an das Treibhausklima zu gewöhnen, denn mit der Air Condition ist es vorbei, wie überhaupt mit der bewohnten Welt, wie uns scheint. Auf unseren Strandwanderungen begegnen wir keinem Menschen, wir sehen keine Hütte, kein Boot, nichts außer großen Pelikangruppen, die in majestätischen V-Formationen über uns hinweg ziehen.
Nach ein paar Tagen sind wir fahrbereit. Wir verschenken den Koffer, aus dem wir die letzten zwei Wochen gelebt haben (danke, Christine!), an Maria aus Bogotà und ihren kleinen Sohn, und machen uns auf den Weg. Zunächst wollen wir ganz in den Norden des Landes. Der soll etwas Ende-der-Welt-artiges haben, und das passt natürlich zu unserer Reise: vom einen Ende der Welt (oder sagen wir mal, des Kontinents) zum anderen.
Schon nach kurzer Zeit ändert sich die Landschaft radikal. Der tropische Regenwald verschwindet, und weicht erst einer Steppen-, dann einer Wüstenlandschaft. Kakteenwälder wechseln sich ab mit Lavafeldern, Salzpfannen, Sand-, Stein- und Geröllwüsten. Die schwüle Hitze verwandelt sich in eine flirrende, beißende Glut, die durch den staubigen Wind noch extremer wird. Auch der Asphalt verschwindet, wir fahren erst Schotterpiste, dann holprige Sand- und Steinwege, dann in trockenen Flussbetten oder komplett querfeldein.
Er ist wahrlich nicht leicht zu erreichen, dieser Northernmost Point Südamerikas, ohne Allradfahrzeug unmöglich. Außer uns sind hier auch nur ein paar geführte Expeditionen unterwegs – allesamt in Landcruisern. Die Landrover scheinen hier bereits komplett ausgestorben zu sein, wir sind in Toyota-Land! Alle paar Minuten (manchmal auch nur Sekunden!) wird man von Indigenen angehalten, die Hindernisse aus Fahrradketten über die Straße ziehen und Wegzoll verlangen. Es müssen Hunderte sein, die hier pure Wegelagerei betreiben, und unmöglich können – und wollen – wir alle mit Geld versorgen. Also wird auch hier wieder ein bißchen diskutiert, etwas gescherzt, und manchmal bei Kindern auch einfach nur ein bißchen forsch herangefahren, so dass sie freiwillig die Schnur fallen lassen.
Mit Einbruch der Dunkelheit erreichen wir endlich eine staubige Hospedaje an einer smaragdgrünen Bucht, an deren Rand wir uns installieren. Nach einem scheußlichen Abendessen (ich hatte leider schon verdrängt, wie übel Ziege schmeckt, jetzt weiß ich es wieder) sinken wir todmüde in unser Dachzelt. Schon bald aber entwickelt sich der kräftige Wind zum Sturm, der an unserem Zelt rüttelt und reißt, an Schlaf ist nicht zu denken, und wir haben Sorge um unser Material. Schlaftrunken packen wir mitten in der Nacht zusammen und fahren auf das geschützte Gelände der Hospedaje. Früh am Morgen noch ein scheußliches Frühstück und dann geht es endlich zum nördlichsten Punkt des Kontinents: Punta Gallinas.
Ein einsames, rauhes Stück Erde ist das. Der Leuchtturm thront auf einem dürren Stahlgerüst, daneben eine malerisch verfallene Hütte voller Graffities. Am Strand stehen hunderte von Steinmännchen, als ob dieser Ort im pfeifenden Wind nicht schon so mystisch genug wäre. Wir fügen den Steinmännchen ein weiteres hinzu, sind verzaubert, und froh, diesen beschwerlichen Weg auf uns genommen zu haben.
Ab jetzt fahren wir nach Süden. Zunächst natürlich den gleichen Weg zurück – zumindest ungefähr den gleichen, so genau findet man hier seinen Weg nicht. Auf dem Hinweg hatten wir so schöne Fahrstrecken auf der Salzpfanne am Lagunenrand, davon geht doch vielleicht noch ein wenig mehr, wenn man näher an die Lagune fährt. Hups, ein kleiner Sandsturm… ach was, dafür brauchen wir nicht anzuhalten, wir sehen zwar nichts, aber wissen ja, was vor uns liegt. Nanu, wieso werden wir den langsamer und immer langsamer…? Anfängerfehler über Anfängerfehler, und schon stecken wir fest im zähen, klebrigen Salzschlamm, nichts geht mehr. Um alle Reifen hat sich eine gute Handbreit davon gelegt, zwanzig Zentimeter tief stehen wir eingegraben, wir sind zu dicht an die Lagune geraten. Und jetzt? Die rettende Hauptpiste ist mehr als dreißig Meter entfernt, die Autos dort können uns zwar sehen, aber nicht nah genug heran kommen. Einen Baum, an dem wir unsere Winde festmachen können, gibt es nicht, und schaufeln lässt sich das Zeug auch nicht. Wir sind ein bißchen ratlos. Da fällt uns ein, dass wir ja Differentialsperren haben, mit denen wir uns quasi zum Traktor machen können. Zwei- oder dreimal haben wir die in Afrika genutzt, höchstens. Also rein mit den Dingern, und tatsächlich bewegen wir uns ein paar Zentimeter rückwärts. Jetzt die vorderen Sperren raus, ein bißchen schräg fahren, bis wir wieder fest sind, dann wieder alles rein und rückwärts, so geht das ein Weilchen, bis wir total verschlammt, aber sehr erleichtert wieder im Trockenen stehen. Erst dann haben wir Zeit für ein paar Fotos.
In Cabo de la Vela, einem kleinen windigen Kite-Surfer-Ort lassen wir uns am Strand nieder. Hier kommt das Süßwasser mit dem LKW, und der Strom aus dem Generator. Aber hier ist die Karibik Badewanne wie gewohnt, wir dürfen baden, schlafen uns aus, essen leckeren Fisch, und putzen unser total verdrecktes Auto wenigstens von innen. Eigentlich wollten wir diese Reise langsam und gemächlich beginnen, aber irgendwie haben wir das Gefühl, schon in der ersten Woche echt viel erlebt zu haben. Kolumbien scheint wirklich intensiv zu sein, jedenfalls wurde uns und unserem Auto schon fast alles abverlangt, was wir so draufhaben. Mal sehen, wie das weitergeht. Wir verabschieden uns erstmal von der Karibikküste und wenden uns nach Süden.
mein gott, liebe dela und lieber marc
– ich zittere ja jetzt schon fuer euch. was fuer ein nightmare, wenn ein solches auto feststeckt. aber, ihr seid halt doch erfahrere globetrotter und habt auch diese natur-drohgebaerde geschafft.
ich wuensche euch eine wunderbare weiterfahrt durch diese fuer mich sehr fremd welt ohne solche steckenbleiben-stoerungen und natuerlich auch exzellente gerichte, um den hunger zu stillen.
was ist denn so furchtbar an ziegenfleisch??
bis bald mal wieder
marina
Liebe Marina, wie schön, dass Du dabei bist! 🙂 An Ziegenfleisch selbst ist natürlich nichts auszusetzen, und wenn man es mit ein bißchen Liebe und Respekt behandelt, kann man sicher leckere Sachen daraus machen. In Frankreich kriegen sie das ganz bestimmt hin! Aber in Afrika wie wohl auch hierzulande zerreißen sie das Fleisch in der Regel samt Knochen, Knorpel und Sehnen in undefinierbare Fetzen, die sie dann irgendwie in einen unkaubaren Zustand garen. Das Einzige, was sich daran noch beißen lässt, ist das dicke gelbe Fett, und das schmeckt wirklich grauenhaft. Bis bald, alles Liebe, Dela
Hi Ihr Zwei ,
das hört sich sehr abenteuerlich an ,
schön das alles heile geblieben ist!
Kuss an Beide
Emu
Hallo Ihr Lieben,
das ist ja mal wieder ein sehr spannender Reisebericht.
Faschingszoll hoch 10, ohne Sicht im Sandsturm unterwegs, fast versunken im Salzschlamm…
Da fahren wir doch lieber nach Südtirol… 🙂
Aber ich freue mich über Euren Spaß am Abenteuer und bin gespannt auf die weiteren Reiseberichte!
LG Jörg
Ich bin beeindruckt…
Marcs Flip Flops halten wohl ein Leben lang…
🙂
Ihr Lieben!
Schon die ersten Berichte auf Eurer noch langen Reise sind der Hammer und voller Abenteuer! Dazu die tollen Bilder! Alles richtig gemacht würd ich sagen!!!
Heute ist Freitag und was würde da näher liegen, als auf dem Markt ein Gläschen in Gedenken an Euch zu trinken – und mal sehen, bei wem ich dann noch Brot abstauben kann;) Ihr wisst schon;))
Passt auf Euch auf und genießt es!
Hallo Ihr 2,
einfach nur klasse geschrieben mit tollen Fotos. Abenteuer pur eben.
Ich wünsche euch eine schöne und sichere Weiterfahrt. Ich bin gerade im Ostseebad Prerow und warte auf Sonne. Also nochmals alles gute für euer Gefährt und euch beiden.
Tschüss Wolfgang
Hallo liebe Dela, lieber Marc,
Eure Reise geht ja schon sehr abenteuerlich los. Was ihr schon so alles erlebt habt, in der kurzen Zeit, das ist ja unglaublich. Ich freu mich schon auf weitere spannende Folgen und Fotos.
Passt auf Euch auf und weiter viel Spaß!
Das beschreibt ihr schön. Ich fühle mich, als wäre ich dabei. Mir wurde richtig mulmig, als ich das Steckenbeleiben beschrieben habt.
Hallo Dela & Marc,
euer Reisebericht ist echt spannend.
Die Bilde sind super.
Ich wünsche euch noch eine gute Reise & ganz viel Spaß.
Es ist Sonntag. Wir waren heute auf dem Caravan Salon ein wenig Fernweh schnuppern. Tom ist auf der Website von pistenkuh unterwegs und ich bei den africa cruisern. Bericht über „festgefahten in der salzpfanne“ entlockt mir ein „ach du sch…“ und tom ein „das muss man mal erlebt haben“. Wir hatten unser salzpfannendisaster 2011 in botswana. Schön, dass ihr es ohne blessuren geschafft habt. Wir begleiten euch aus der Ferne mit Fernweh im Herzen!