Erstmal geht alles so weiter. Wir verbringen unbeschwerte Tage an einer zauberhaften Lagune.
Unsere liebe Gastgeberin wäscht unsere Wäsche, ohne Geld dafür anzunehmen, näht Marc noch einen Knopf an seine Hose, und zum Abschied werden wir wieder mit leckerem Fisch – diesmal frittiert – gefüttert.
Nach ein paar Tagen zieht es uns wieder in die Berge, hier ist es wieder kühl und regnerisch.
Gramado ist eine bei den Brasilianern sehr beliebte Alpenidylle mit Fachwerkhäusern, Ritterkastellen, Schokoladenburgen, Kuhfellen, Wachsfigurenkabinett und der unvermeidlichen Eisbar, vor allem aber endlosen Einkaufsparadiesen – naja, ganz lustig, aber nicht so ganz unser Ding.
Dafür treffen wir Euler und Nivea – so heißen sie wirklich – wieder, die wir einige Tage zuvor an der Lagune kennengelernt hatten. Sie sind auf einer Art Trainingswoche für ihre große Reise, die sie in drei Jahren antreten wollen.
Wieder zurück an der Küste decken wir uns mit Wasser, Sprit und Lebensmitteln ein, um den einsamen letzten Küstenstreifen Brasiliens in Angriff zu nehmen. Einmal wollen wir vorher noch essen gehen und halten mittags in einem verschlafenen Nest am einzigen Restaurant. Wir sind gerade drinnen, als es draußen heftig hupt, und zwei Leute aus ihrem Auto springen. Es sind Fabiana und Marcelo, die wir vor drei Wochen bei ihrem Wochenendausflug am Foz do Iguacu kennengelernt haben. Ihre Einladung nach Port Alegre haben wir schweren Herzens ausschlagen müssen – auch in dieser Millionenstadt gibt es keine Abstellmöglichkeit für unser Auto. Und nun treffen wir sie zufällig hier, in einem ärmlichen Kaff am Ende der Welt. Tausend Kilometer vom Foz, und immer noch zwei Autostunden von ihrem Heimatort entfernt! Manchmal scheinen Zufälle derart unwahrscheinlich, dass es einem doch ein bißchen schwerfällt, nicht an Schicksal zu glauben.
Was wir hier eigentlich wollen, fragen sie. Mittagessen? Okay, es ist Muttertag (wie in Europa auch), und sie sind auf dem Weg zum Wochenendhaus ihres Onkels im Nachbarort, um dort mit der Familie ein Muttertags-Asado zu machen, und wir sollen bitte die Finger von diesem Restaurant lassen und mit ihnen kommen, wir sind herzlich eingeladen. Naja, sowas lassen wir uns nicht zweimal sagen!
Und wie lieb werden wir wieder aufgenommen! Ihre Eltern sind da, Opa, Oma, Tanten, Onkels und Cousinen. Riesige Fleischstücke brutzeln schon auf dem Grill, es gibt Caipirinha, köstliches Essen – diesmal auch mit etwas Salat und Gemüse – und unter freundlich-neugierigen Fragen der Familie futtern wir uns mal wieder kugelrund und glücklich.
Klar ist es dabei nicht schädlich, dass Marc portugiesisch spricht (obwohl er ja auch spanisch kann). Aber auch das portugiesisch hier hat so seine Feinheiten. ‘Ja’ heißt zum Beispiel auf portugiesisch ‘sim’, bloß sagt das hier kein Mensch. Nie. Meist stößt man stattdessen ein kleines hartes ‘äh’ aus – begleitet von einem kurzen Nicken. Will man deutliche Zustimmung ausdrücken, macht man das mit einem intensiven gedehnten ‘iiieesso’. Wir lernen, dass man in dieser Region hier alles, was man sagen möchte, auch noch mit einem ‘bah’ garnieren kann, dass schlicht durch seinen Tonfall einfach alles ausdrücken kann.
Bei den Gesprächsthemen in Brasilien landet man immer schnell beim Fußball. Sie freuen sich, wie die meisten von uns ja auch, auf die anstehende Fußball-WM. Und blicken dabei mit einem bangen Auge auf Deutschland. 7:1… dieses 7:1 haben wir hier schon so oft gehört, diese unbegreifliche schreckliche Schmach und Demütigung vom letzten Mal steckt ihnen noch tief in den Knochen.
Pappsatt, glücklich und wieder mal überwältigt von der Gastfreundschaft hierzulande (stellt Euch das bitte zuhause vor, mal so eben spontan zwei Reisebekanntschaften zum Muttertags-Familienessen mitzubringen) schwingen wir uns auf besagten Küstenstreifen im Süden des Landes und landen bei einer reizenden Familie, die ein besonderes Haustier hat:
Der deutsche Name Wasserschwein ist eigentlich irreführend: Das Capibara, wie es hierzulande heißt (auch wenn Marc beharrlich ‘Caipibara sagt, keine Ahnung warum), hat eher etwas von einem großen Biber, als von einem Schwein. Es hat Krallen mit Schwimmhäuten und ziemlich große Nagezähne. Mit denen dieses zutrauliche Exemplar sofort mal anfängt, unsere Stühle anzunagen.
Tuk-tuk ist von der Familie großgezogen worden (seither machen sie kein Capibara-Churrasco mehr, wie sie uns sagen, obwohl das lecker sei), lässt sich gerne kraulen, und wenn er sich wohlfühlt, stößt er seltsame tuckernde Laute aus – eine Art Wasserschwein-Schnurren, das ihm wohl seinen Namen eingebracht hat.
Wir fahren weiter auf diesem seltsamen schmalen Streifen zwischen Atlantik und Lagune nach Süden (wer will, kann dies und unsere gesamte Reiseroute auf dieser KARTE anschauen) und nehmen die gefühlt 87. Fähre dieser Reise, diesmal über den Rio Grande.
Das Wetter wird nun immer kühler, nässer und ungemütlicher. In großen Scharen fliegen uns die Zugvögel entgegen. Wir aber haben ja einen Termin in Uruguay. Wir waren beide noch nie dort, es soll recht fortschrittlich und wohlhabend sein. Na klar melden wir uns nochmal von dort mit Schiffsinfos und Ankunftsdaten, und bis dahin hoffen wir auf ein paar gut geheizte Museen !
Ihr lieben, bin heute in Berlin für das Pokalfinale gelandet und mach auch gerade die Erfahrung, jeder kennt jeden. Eine frau spricht mich an, sie habe mit mir abi gemacht, stimmt, ihr mann hat mit mir erstes Staatsexamen gemacht, stimmt. Wenn die Welt schon in Deutschland so klein ist, warum nicht in Südamerika.. ich freue mich auf euch und aufs finale morgen
hallo, ihr zwei – ihr koennt es ja schon ganz gut, mit euren berichten die daheimgebliebenen neidisch und eifersüchtig zu machen. vor allen dingen die sache mit der freundlichkeit der einheimischen bevölkerung – wo auch immer ihr seid – ist wirklich fantastisch. ihr habt recht, ich stelle mir das vor, wo und wie und von wem und wie oft das bei uns hier passieren könnte. ziemlich unwahrscheinlich….. na ja, ist halt leider so.
bleibt weiter so gesund, munter, und schreibfreudig. es macht sehr viel freude, eure erzählungen zu lesen und eure reise zu verfolgen.marina
Ihr Zwei Lieben, es ist so spannend, Euren Wegen zu folgen, und diese immer wieder auftretende und beschriebene Gastfreundschaft gibt einem nur beim Lesen schon ein gutes Gefühl. Geniesst Eure Zeit! Liebe Gruesse Martina