Chile 1 – North – Atacama

San Pedro de Atacama ist ein hübscher kleiner Wüstenort, randvoll mit abenteuerlustigen Touristen aus aller Welt.  Uns ist aber gerade nicht nach Abenteuer.

Wir genießen die angenehmen Temperaturen, eine warme Dusche und ein ordentliches Essen, aber mehr ist hier für uns nicht zu tun.

Wir fahren weiter in die Industrie- und Minenstadt Calama, hier können wir zumindest unser Auto versichern (für jedes Land brauchen wir hier eine eigene Versicherung), und es vom Salz befreien lassen. Von drei Jungs wird es rundum eingeschäumt und von allen Seiten geschrubbt und gebadet, alle Gummiteile werden gepflegt, und hinterher strahlt es wie neu.

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Wir übernachten bei einem reizenden und leicht schrulligen alten Mann namens Gabriel, der zwischen allerlei Sachen, die er in der Wüste gefunden und zusammengesammelt hat, in einer Art Freilichtmuseum lebt. Berge von Dingen hat er sorgsam in seinem Garten arrangiert: Schuhe, Schreibmaschinen, Plattenspieler, Silberlöffel, ja ein ganzes Auto. Reinholen muss er die Sachen nicht, regnen tut es hier nie. Am nächsten Morgen empfängt er uns mit militärischen Ehren: er hat inmitten seiner Schätze Flaggen unserer Heimatländer gefunden, und sie für uns gehisst.

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Wir fahren weiter in die Industrie- und Hafenstadt Antofagasta. Im Supermarkt gibt eine Riesenauswahl feinster Produkte aus aller Welt, aber zu Preisen, die sich gewaschen haben. Die Zeiten, wo wir von allem was es gab, nur das Beste gekauft haben, sind vorbei. Wir fühlen uns auf einmal wie arme Schlucker und übernachten auf einem Parkplatz am städtischen Strand, zwischen einigen Obdachlosen, was uns irgendwie ganz passend scheint. Drei Motorradpolizisten kommen vorbei, begrüßen uns sehr freundlich mit Handschlag, plaudern ein bißchen, finden alles prima und verabschieden sich auf dieselbe Weise. Kostensparend frei stehen scheint also hier zumindest kein Problem zu sein.

Bei Einbruch der Dunkelheit setzt sich einer Obdachlosen zu uns und quatscht uns freundlich aber beharrlich voll. Er quatscht und quatscht, irgendwann zieht eine Gruppe junger Mädchen vorbei, und er ruft ihnen irgendwas hinterher. Wir wollen vor Scham gerade in den Boden versinken, als sich alle Mädchen gleichzeitig auf dem Absatz herumdrehen. Fassungslos sehen wir, wie sie dem Typ Kaffee anbieten, fragen, ob er Milch oder Zucker wolle, und vielleicht noch ein Sandwich. Wir sprechen die Mädchen an: es sind alles Studentinnen der Sozialarbeit, und dieses ist ihr Projekt. Sie machen das jeden Abend.  Dazu gehört schon was! Wir sind ehrlich beeindruckt.

So richtig gemütlich ist es in Antofagasta nicht, also fahren wir weiter durch die Atacama. Die ist riesig, und die Strecken sind lang. Hier, in der trockensten Wüste der Erde, stehen die größten Sternenobservatorien der Welt, und zwar jede Menge. Große, kleine, mittlere, alte, neue, staatliche, private, Licht- und Radioteleskope – überall sieht man sie auf den Bergen glänzen. Das von der Europäischen Südsternwarte betriebene Paranal Observatory sieht so spektakulär aus, dass es schon in einem James Bond-Film mitspielen durfte. Es ist nur samstags zu besichtigen, und die Führungen sind Monate im voraus ausgebucht. Keine Chance also eigentlich, aber es ist Samstag (das konnten wir natürlich ein bißchen steuern), und wir fragen einfach mal sehr nett nach. Und tatsächlich – wir dürfen mit! Oh, was für eine Freude! Wir sind ganz aus dem Häuschen. Während der zweistündigen Führung können wir uns nicht sattsehen, alles ist aufregend und interessant, wir hängen an den Lippen unseres Guides und saugen beglückt jedes Detail in uns auf. Auch den Leuten, die hier arbeiten, merkt man an, mit welcher Ehrfurcht sie dies tun – hier sind wirklich ein paar Nerds versammelt.

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Durch die Teleskope gucken können wir allerdings nicht. Man guckt sowieso nur noch auf Computerbildschirme, und wenn es dunkel wird, ist überhaupt niemand mehr bei den Teleskopen. Die tun dann ferngesteuert und unbehelligt (im wahrsten Wortsinn) ihr Werk, während die Wissenschaftler in einem abgeschirmten Kontrollraum nach straffem Zeitplan ihre Beobachtungen durchführen. Aber die Hardware ist auch schon spannend genug: Herzstück der vier Very Large Telescopes (VLT) sind die 8,20m großen Primärspiegel – hergestellt bei Schott in Mainz, und in Frankreich auf ein tausendstel Millimeter genau poliert. Jedes der europäischen Länder, die die Südsternwarte betreiben, steuert etwas anderes bei, ach, könnte nicht alles so schön sein, wenn es auf politischer Ebene ein bißchen mehr zuginge, wie bei den Wissenschaftlern.

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Wir fahren weiter nach Süden und wieder an die Küste zum Nationalpark Pan de Azucar. Hier trifft die Atacama auf den Pazifik. Vom einzigen Parkranger erhalten wir eine vollkommen ernst gemeinte sorgfältige Einweisung in Sachen Erdbeben- und Tsunamischutz, dann dürfen wir im Park bleiben solange wir wollen. Wir suchen uns eine Bucht, die uns gefällt, und die wir ganz für uns haben. Hier ist ausruhen angesagt.Tagsüber gehen wir am Strand spazieren, und abends schauen wir in den Sternenhimmel.

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Das ist wirklich paradiesisch, und wir genießen diese wunderschöne Natur und Einsamkeit, aber nach ein paar Tagen wollen wir doch mal wieder unter Menschen.

Wir fahren wieder hunderte Kilometer durch die Wüste, die Atacama nimmt kein Ende, wir übernachten auf – wirklich mustergültigen – Rastplätzen an der Panamericana, und landen schließlich in der Küsten- und Oasenstadt Coquimbo. Hier gibt es alles, das Klima ist angenehm, und wir finden eine schöne gemütliche und gepflegte Campsite am Strand. Dies ist der Ort, wo wir endlich richtig ausschlafen, ausruhen und zu Ruhe kommen. Wir grillen riesige Steaks und noch größere Fische (keine Sorge bitte mehr um unser Gewicht), und gehen wieder stundenlang am Strand spazieren. Am einen Tag nach links, am nächsten nach rechts, und dann wieder nach links. Wir chatten mit unseren Familien, erleben im Liveticker mit, wie die Eintracht in Hoffenheim fast auf den dritten Tabellenplatz gekommen wäre, und sind virtuell zu Gast bei unseren Freunden im Eckhaus und auch auf der TNS-Abschlussparty. Ach, das macht uns richtig Freude! Glaubt mal nicht, dass wir vor lauter Abenteuern gar nicht dazu kommen, wir vermissen Euch auch!!

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5 Antworten auf „Chile 1 – North – Atacama“

  1. wie schoen und wie interessant euer neuer bericht ueber die atacama und rundherum. war fuer mich auch sehr lehrreich so viel ueber die dortigen telescop- u.a. wissenschaftlichen einrichtungen zu lesen. das wuerde mich auch sehr, sehr interessieren – schade, ich bin zu weit weg. alles gute weiterhin und viel schoenes neues. marina

  2. Die Europäische Südsternwarte – nerdy Carla ist ganz aufgekratzt und neidisch! Toll, dass ihr die Führung mitmachen konntet! Und Gabriel finde ich auch super. Wer verliert denn bitte seinen Plattenspieler in der Wüste??

  3. Liebe Dela und Marc,

    wie vielseitig euere Abenteuer und reflektiert euere Erlebnis-Berichte sind! Pures Vergnügen, euch virtuell zu folgen. Tolle Bilder, machen süchtig und Lust, das selbst mal zu erleben.
    Weiterhin viel Spaß und gute Reise. Und bleibt so schön humorvoll 🙂

    Bin sonst so gar kein Serien-Fan, aber ich freue mich jetzt schon tierisch auf euere kommenden Berichte!

    Liebe Grüße
    Karin

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