Bolivia 3 – South – Laguna Route

Erstmal verfahren wir uns noch auf dem Salar. Es ist seltsam, wie schnell man die Orientierung verlieren kann. Die Instrumente funktionieren nicht, eine Insel sieht aus wie die andere, Entfernungen lassen sich kaum schätzen.

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Mit Hilfe eines Tourguides, den wir anquatschen, schlagen wir schließlich die richtige Richtung ein, und holpern stundenlang mutterseelenallein über steinhart gebackenen Salzschlamm.

Unserer Liste seltsamer Übernachtungsorte fügen wir die Militärbasis von Chiguana hinzu. Warum auch immer hier in der Abgeschiedenheit eine Militärbasis ist, nach kurzem Telefonat mit ihrem Kommandeur lassen sie uns tatsächlich übernachten. Wir suchen Windschutz an einem verfallenen Bahnhofsgebäude zwischen Unmengen von Glasscherben und ausgebleichten Lamaknochen. Die tatsächlich vorbeifahrenden Züge – im Schrittempo und mit irgendwas schwerem beladen – grüßen uns mit lautem tröten.

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Am nächsten Morgen geht es dann weiter und immer höher, den ersten Lagunen entgegen. Wir mögen die Höhe nicht besonders, aber wirklich höhenkrank werden wir zum Glück nicht. Wohl aber unsere Hupe! Ab dreieinhalbtausend Metern gibt sie nur noch ein klägliches Ächzen von sich: es ist eben eine Lufthupe. Nun, wir brauchen hier auch keine Hupe, besonders viel Verkehr ist hier nicht. Eigentlich gar keiner.

Die Landschaft ist von einer wilden, bizarren Schönheit. Auf einer knochentrockenen Wüsten-Hochebene sind wir umgeben von Vulkanen, manche schneebedeckt, manche rauchend. Allesamt um die 6.000 Meter hoch sehen sie aus unserer Perspektive wie sanfte Hügel aus. Seltsam harmonisch, organisch und fließend wirken diese gewalttätigen Ungetüme, aber wenn man es genau nimmt, haben sie ja die Landschaft auch irgendwann gewissermaßen gegossen. Und ein paar seltsame Steinformationen dazu.

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Die Lagunen leuchten je nach Art der vulkanischen Salze, die in ihnen gelöst sind, blau, grün oder rot, und sind bevölkert von Flamingos. Früher habe ich Flamingos immer für zarte tropische Vögel gehalten, die ein elegantes Leben an Karibikstränden führen – das hätte falscher kaum sein können. Flamingos sind knallharte Biester. In Eiseskälte und Sturm in fünftausend Meter Höhe pflügen sie sich auf der Suche nach Nahrung durch giftigen eiskalten schwarzen stinkenden Salzschlamm. Es gibt kein anderes Tier, das sich ähnliches zumutet.

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Wir fahren von Lagune zu Lagune, der Tag vergeht wie im Flug, schon nähert sich die Nacht, und wir müssen uns einen Übernachtungsplatz suchen, der uns ein wenig vor dem eisigen Wind schützt. Abseits der Piste finden wir doch so etwas wie ein Hotel und dürfen hier stehen, auch etwas zu Abend essen. Ach, das ist herrlich willkommen, und eine einzigartige Erfahrung: das Hotel wirkt ein bißchen wie eine Raumstation auf dem Mars, oder vielleicht in der Antarktis. Alles ist hier rauh, grob und ein bißchen langsam. Und kalt.

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Mit Sonnenuntergang trudelt ein Landcruiser nach dem anderen ein, jeder spuckt einen Guide und eine Handvoll Touristen aus, die sich strecken, den Staub abklopfen, und in ihre Zimmer zurückziehen. Irgendwann tauchen die meisten im Restaurant auf. Alle bekommen dasselbe zu essen, die Russengruppe bestellt sich dazu ganze Flaschen Rotwein. Bald zieht sich die erste von ihnen mit Kopfschmerzen zurück. Als wir gegen zehn schlafen gehen, versorgt sich an der Rezeption eine Gruppe Italiener mit Tabletten gegen Höhenkrankheit. Ein blonder, großer und kräftiger Mann sitzt ein wenig abseits und keucht mit leicht verzweifeltem Blick in ein Sauerstoffgerät.

Wir versuchen, den Anblick zu verdrängen, kriechen im Auto unter unsere Daunendecken, machen die Standheizung an, und schicken Stoßgebete zum Himmel. Wir haben für diese Reise eine neue Heizung einbauen lassen, die sich auf eine Höhenstellung mit einem weniger fetten Diesel-Luft-Gemisch umschalten lässt. Bis zu zweieinhalb, vielleicht dreitausend Meter sollte sie damit funktionieren – ausprobieren kann man das in Europa nicht. Jetzt sind wir auf 4.600. Und sie hustet und spuckt, aber sie bläst tapfer und wärmt. Uff!!

Unsere Nacht wird kalt, aber erträglich, nur sehr, sehr lang. Am nächsten Morgen sind wir heilfroh, dass sie vorbei ist. Wir bestaunen unser Auto, das aussieht, als käme es aus dem Tiefkühlschrank: außen und innen an den Metallteilen überall Rauhreif. Unser Wassertank ist eingefroren und rückt keinen Tropfen mehr heraus. Wir begnügen uns mit einer Katzenwäsche und einem Minifrühstück, warten, bis unser Motor etwas Sonne abbekommen hat, und brechen dann auf zur nächsten Etappe.

Wieder eine wunderschöne Traumlandschaft, einsam und unwirklich. Voller Vulkane und bunter Lagunen.

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Zwischendurch finden wir noch ein Geysir-Feld mit fauchenden und blubbernden Minivulkanen.

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Kaum ein Mensch, kaum eine Piste. Als ich auf ein Lied im Radio mitpfeifen will (danke Micha und Carla nochmal für Eure wunderbaren Musik-Sticks!), kommt kein Ton heraus. Sosehr ich mich anstrenge, ich bringe nur ein armseliges Zischen zustande, Marc genauso, und normalerweise können wir beide ganz gut pfeifen. Muss wohl derselbe Effekt sein, wie bei der Hupe.

Am Abend finden wir Schutz an einem Refugio an der Laguna Verde. Hier gibt es kein Restaurant. Wir essen etwas im Auto und bewundern ab und zu den Sternenhimmel, während um uns herum wieder der Eiswind pfeift. Eine weitere schlaflose Nacht, wieder Eis im Auto und ein gefrorener Tank, das Spiel kennen wir nun schon. Aber wir wissen auch, dass es bald zu Ende ist, denn die Grenze ist nun schon in Sichtweite.

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Am nächsten Morgen kurven wir noch einmal unbeschwert durch die Mondlandschaft um uns herum, dann überqueren wir die Grenze, verlassen die Höhen des Altiplano und steuern dem gemütlichen Touristenort San Pedro de Atacama in Chile entgegen.

19 Antworten auf „Bolivia 3 – South – Laguna Route“

  1. Meine Lieben, manchmal glaubt man bei den Bildern ja, dass Ihr auf dem Mond seid und nicht in Bolivien. Unglaublich tolle Bilder. Ich wünsch Euch weiter eine tolle Reise und freu mich immer sehr über Eure Berichte. Nebenher erfreut mich dann auch noch die Eintracht, die nach 12 Spieltagen sich schön auf Platz 7 befindet.
    Alles Liebe Antje

  2. hallo – ihr zwei

    mein gott, ich friere mit euch und sage mir im stillen, was sich solch abenteuerlustige menschen, wie ihr beide, sich doch alles antun mit so einer reise in die unwirklichkeit. ist ja schoen anzusehen, aber mir reichen eure schoenen fotos.
    marina

  3. Wow, wat een prachtige foto’s! Waanzinnig om een paar dagen in die geweldige natuur door te brengen en kan me ook goed voorstellen dat jullie blij waren om weer in de bewoonde wereld te zijn met iets hogere temperaturen!! Fijn om jullie avonturen weer te lezen.
    liefs en kus voor jullie allebei xx

  4. „Das Land der Tausend Vulkane – Geographisch nicht genau festlegbare, äußerst unwirtliche hochgelegene Landschaft mit hoher vulkanischer Aktivität und Rückzugsgebiet der als nicht reinrassig eingestuften Drachen bzw. Halbdrachen.“ (Wikipedia)
    Ob Michael Ende auch in Bolivien war, bevor er „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ geschrieben hat? Euer Auto ist jedenfalls mindestens so tapfer wie Emma, die Lokomotive. Und ihr die größten Abenteurer, die ich kenne. Gebt acht in der Stadt der Drachen und meldet euch unbedingt mal aus Mandala!
    Grüße, Carla

      1. Das ist gut, auf Herrn Tur Tur ist Verlass!
        An dem Musik-Stick haben Elise und Robin übrigens ganz maßgeblich mitgearbeitet, war ein Projekt von uns dreien, und wir hatten viel Spaß dabei. Ich werde an die beiden weitergeben, dass euch die Musik gefällt, die wir ausgewählt haben.
        Gestern hat Stefan euer Autochen gepflegt: bisschen Luft in die Reifen und eine schöne Runde Gassi. Ich habe vorgestern einen Nagel in unser Auto gefahren, da ist jetzt ein Reifen platt. So bekommt euer Auto am Sonntag glatt nochmal ein bisschen Bewegung, da fahre ich nämlich mit der Mama zum Friedhof (Totensonntag).
        Inzwischen seid ihr schon so lange weg, dass mir euer Fehlen doch ordentlich und immer wieder auffällt. Man könnte glatt meinen, ich vermisse euch ein wenig. 😉 <3

  5. Liebe Dela, lieber Marc,

    Tolle Fotos, am besten haben uns die Flamingos gefallen. Wir wünschen euch weiter eine schöne Reise.

    Wir vermissen euch und ihr werdet uns beim Plätzchenbacken im Advent fehlen!!!

    Liebe Grüße von
    Helene & Luise :-)))))))))))))))

    1. Ooooohhh, Ihr Lieben, danke, wir vermissen Euch auch! Und niemand backt mit uns hier Plätzchen… Ihr zwei könnt aber zumindest mehr davon essen, wenn wir nicht da sind 🙂

  6. Hallo Dela,
    jetzt kurvt ihr schon durch Chile : )…ich habe meine Reise nach Peru & Chile abgesagt und bin hier in Ffm geblieben. Wieso und warum erzähle ich dann im Sommer. Trotzdem freue ich mich auf Bilder aus der Atacama! LG aus dem Herzen Europas… Liv

    1. Ach, liebe Liv, das tut mir sehr leid, ich hoffe, Du kannst die Reise irgendwann nachholen. Extra für Dich haben wir gerade erstmal richtig viele Atacama-Fotos hochgeladen 😀
      Viel Freude damit, alles Liebe, Dela

  7. Liebe Dela,
    hab vielen Dank für deine tollen Berichte und die unwahrscheinlich schönen Bilder . Die Oberfranken-Fraktion schickt euch liebe Grüße. Wir freuen uns auf den nächsten Blog. Bleibt gesund

    Alles Gute,
    Sabine & Co.

    1. Liebe Bine, vielen Dank, es ist immer gut, ein paar Oberfranken zur Seite zu haben. Erst recht welche, die sich sogar zur Eintracht wagen 🙂
      Liebe Grüße an die ganze Fraktion, Dela und Marc

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